Im Mai 2021 fanden drei Runde Tische mit Teilnehmenden aus dem Thüringer Gesundheitsministerium (TMASGFF) und dem Anonymen Krankenschein Thüringen e.V. (AKST e.V.) pandemiebedingt im digitalen Raum statt. Eingeladen hatte das Projekt KoopWohl, welches die Tische moderierte und nach inhaltlichen Absprachen mit den Teilnehmenden konzipierte.
Die Kooperation verfolgt das gemeinsame Ziel, eine anonyme Krankenversorgung für Menschen ohne Krankenversicherung in Thüringen bereitzustellen. Ende 2021 lief die Modellprojektphase des Anonymen Krankenschein aus und damit stand der Übergang in eine neue Phase auf dem Programm. Anlass genug, sich zusammen an einen Tisch zu setzen.
Im Forschungsprojekt „KoopWohl“ im Bereich Migration und Gesundheit wird der Kooperationsprozess zwischen dem Thüringer Gesundheitsministerium (TMASGFF) und dem Verein Anonymer Krankenschein (AKST e.V.) untersucht und begleitet. Gemeinsames Ziel der Kooperation ist es in Thüringen einen möglichst niedrigschwelligen und anonymen Zugang zur Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Krankenversicherung zu schaffen.
Um Reflexionsräume zu öffnen für Gewesenes und Zukünftiges, gliederten sich die drei Runden Tische in einen Rückblick, gegenwärtige Herausforderungen und eine Strategieerarbeitung für das, was in Zukunft sein soll. Reflektiert wurden Kompetenzen und eingenommene Rollen, die sich in der Kooperation entwickelt haben. Im Spiel mit verschiedenen digitalen Werkzeugen zeichnete sich schnell die Schnittstellenarbeit des zivilgesellschaftlichen Akteurs AKST e.V. zwischen Patient*innen und Dienstleister*innen aus dem Gesundheitsbereich sowie zwischen Patient*innen und Krankenversicherung im Rahmen des Clearings ab. Neben der medizinischen- und Beratungskompetenz im Umgang mit Patient*innen profitiert das Projekt von der bundesweiten, fachlichen Vernetzung durch die Anbindung an das MediNetz und das Engagement, welches über die Lohnarbeit hinausgeht. Das TMASGFF hat im Projekt die Rolle der Projektberatung, Koordination und der geldgebenden Institution inne. Es nimmt die Schnittstelle zwischen Projekt, der Gesundheitsministerin und Landtag ein, bringt somit finanzielle Ressourcen und das zuwendungsrechtlichen Knowhow in die Kooperation ein. Beide Parteien übernehmen den Rücktrag an die Politik, jeweils mit verschiedenen Mitteln: Sei es durch Berichte, persönliche Treffen oder aber Lobbyarbeit – die Politik soll erfahren, was im Projekt gestemmt wird.
„Wir haben eine wichtige Aufgabe in Thüringen, denn wir versorgen diejenigen, die durchs Raster fallen und aus verschiedensten Gründen keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben. Ein fehlender formeller Aufenthaltstitel ist nur einer davon.“
C. Wlodarski – Projektkoordinatorin AKST e.V.
Die Analyse der vergangenen Projektlaufzeit verdeutlichte zudem Potential für die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Projektdurchführung, wobei die Herstellung von Kontinuität durch eine langfristige Versorgungssicherheit und die angemessene Finanzierung der hauptamtlichen Stellen die hauptsächlichen Themen darstellen. Als bisheriger Meilenstein kann der Ausbau der anonymen Versorgungsstruktur in Thüringen benannt werden. Durch die politische Lobbyarbeit im Jahr 2014 vom MediNetz Jena wurde der Anonyme Krankenschein von verschiedenen Parteien im Wahlprogramm und anschließend im Koalitionsvertrag verankert. Inzwischen kann das Projekt sich sehen lassen: In vielen weiteren Bundesländern berät das Projekt zum „Thüringer Modell“ der anonymen Gesundheitsversorgung.
Bei der zweiten Zusammenkunft wurden die gemeinsamen übergeordneten Ziele des Projektes reflektiert, Versorgungslücken identifiziert, die über die allseits bekannte fehlende Gesundheitsversorgung von illegalisierten Personen hinausgehen, und zusätzlich Versorgungslücken, die durch Regelungsdefizite im bestehenden Gesundheitssystem existieren, benannt. Durch die Erkenntnisse des Projektes soll auf die Verbesserung der Versorgung durch das Regelsystem eingewirkt werden, sodass sich das Projekt – im Idealfall – selbst abschafft.
Im letzten gemeinsamen Runden Tisch wurde über Modalitäten der Projektfortsetzung gesprochen. Hierfür wurde ein Strategiepapier mit Festlegung der Verantwortlichkeiten und Umsetzungsfristen erarbeitet.
Eine Fortsetzung der Runden Tische ist geplant, wobei sowohl strategische Zwischenstände besprochen werden als auch externe Expert*innen willkommene Gäste sind, um das Projekt und die gemeinsame Agenda voranzubringen.
Fotos: © Laura Calbet