Im März 2021 und im Januar 2022 fanden zwei Runde Tische zum Thema Teilhabe mit den Praxispartner*innen im Politikfeld Umweltgerechtigkeit/Ernährung statt. Innerhalb dieser mehrstündigen Online-Workshops wurde das Verständnis von Teilhabe auf einer theoretischen sowie praktischen Ebene diskutiert und vor allem innerhalb des zweiten Runden Tisches an konkreten Umsetzungsmöglichkeiten gearbeitet. Im Forschungsprojekt KoopWohl spielt die Verhandlung von Teilhabe innerhalb von Aushandlungsprozessen zwischen Zivilgesellschaft und städtischer Verwaltung eine wichtige Rolle. Was bedeutet Teilhabe für die einzelnen Akteur*innen und wie kann Teilhabe in materieller, sozialer, politischer sowie kultureller Hinsicht ermöglicht werden? Was bedeuten diese Formen der Teilhabe innerhalb eines Wohlfahrtsregimes und inwiefern werden Zugänge geschaffen bzw. Ausschlüsse einzelner gesellschaftlicher Gruppen und Schichten produziert? Diese Fragen wurden vor allem im ersten Runden Tisch diskutiert und gemeinsam analysiert.
Anknüpfend an diesen ersten, eher theoretisch ausgelegten Runden Tisch, folgte im Januar 2022 ein zweiter Runder Tisch der sich auf Best Practice Beispiele der Teilhabeproduktion konzentrierte und sich anwendungsorientiert mit der praktischen Ermöglichung von Teilhabe auseinandersetzte. Der vom Forschungsprojekt vorbereitete Workshop basierte auf dem geäußerten Wunsch und Bedarf des LebensMittelPunkt (LMP) Netzwerks Friedrichshain-Kreuzberg (FHXB) konkreten Methoden und Formaten kennenzulernen, um weitere Menschen im Prozess zu beteiligen und für ein LMP ins Boot zu holen und damit die Ermöglichung von Teilhabe in der Praxis umzusetzen. Das bezirkliche Netzwerk zur Schaffung von LMPs ist aus der Kooperation unserer Praxispartner*innen und durch das KoopWohl Forschungsprojekt entstanden. Der Workshop wurde auf Initiative des LMP Netzwerks FHXB für einen größeren Teilnehmendenkreis aus berlinweiten LMP Initiativen geöffnet und traf auf reges Interesse.
Der Runde Tisch war in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil wurden von uns zwei externe Gäste zur Vorstellung von Best Practice Beispielen eingeladen: Roberta Burghardt von dem Architektur- und Planungsbüro coopdisco stellte den Ansatz des Community Based Design vor. Community Bases Design ist eine ermächtigende Beteiligung beim Planen und Bauen, bei der Communities unterstützt und kollektives Handlungsvermögen ermöglicht wird. Vor allem der Aspekt, dass nicht FÜR, sondern MIT den zukünftigen Nutzenden, ihren Bedürfnissen, Alltagswissen und Ideen geplant wird, ließ sich in der anschließenden Diskussion gut auf den Aufbau von LMPs übertragen. Lisa Zander von der PlanBude Hamburg gab den Teilnehmenden anhand des Prozesses rund um die Esso-Häuser in Hamburg ganz konkrete Tools zur Ansprache, Einbezug und politischer Teilhabe mit. Die zwei Inputs fungierten dabei als Überleitung von theoretischen Konzepten der Teilhabe zu ganz praktischen Methoden und Formaten, die Teilhabe ermöglichen.
Im Anschluss stellten wir einige Aktionsideen vor, die als Inspiration für die Erarbeitung eigener Aktionen und Aktivitäten dienten. Hier scheint vom Anspruch Teilhabe zu ermöglichen vor allem die Methode der aktivierenden Befragung/Gespräch Anklang gefunden zu haben. Als aufsuchende Methode ermöglicht das aktivierende Gespräch an alltäglichen Orten mit Menschen, die sonst oft nicht erreicht werden, niedrigschwellig ins Gespräch zu kommen, sich zu organisieren und dadurch gegenseitig zu ermächtigen. Aber auch die relativ leicht umzusetzenden Formate wie eine mobile Stadtküche oder eine Wanderausstellung wurden als Inspiration und für die Kombination mit eigenen Ideen und Bedarfen in die anschließende Kleingruppenarbeit mitgenommen.
Das LMP Netzwerk FHXB hat sich im zweiten Teil des Workshops in einer Kleingruppe gesondert mit eigenen Ansätzen und Ideen befasst. Durch die im LMP Netzwerk FHXB stark vertretenen Nachbarschaftshäuser gibt es bereits viel Erfahrung mit Projekten und Aktionen und einen guten Überblick über die Ressourcen im Bezirk (z.B. mobile Küchen, Lastenräder etc.). In der Kleingruppenarbeit konnten diese Erfahrungen nun in die Planung weiterer Aktivitäten eingebracht werden, die explizit darauf ausgerichtet sind Teilhabe zu ermöglichen. Das Netzwerk ging mit einer konkreten Aktionsidee, die weiter verfolgt wird, aus dem Workshop: Eine lange Tafel über die Oberbaumbrücke soll die zwei Stadtteile Friedrichshain und Kreuzberg verbinden, die Menschen über gerettetem und gemeinsam gekochtem Essen zusammenbringen und so einen Zugang zum Thema Ernährung schaffen.
Die Runden Tische haben sowohl auf theoretischer, als auch auf praktischer Ebene das Verständnis sowie den Umgang mit Teilhabe vertieft und zu einem erweiterten Verständnis beigetragen. Gerade die aus dem Forschungsprojekt erarbeitete Definition von Teilhabe mit vier unterschiedlichen Dimensionen – materiell, kulturell, politisch und sozial – haben ein Umdenken angestoßen und eine breite Debatte innerhalb des Kooperationsprozesses ausgelöst. Darüber hinaus hat mit der inhaltlichen Auseinandersetzung um den Begriff Teilhabe ein intensiver Austausch und eine Verknüpfung zwischen den Praxispartner*innen und Forschenden stattgefunden. Der nächste Runde Tisch innerhalb des KoopWohl Projektes im Themenfeld Ernährung ist als Reflexion des bisherigen Kooperationsprozesses zwischen dem Ernährungsrat Berlin und dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg geplant.