Bezahlbar, gemeinschaftlich, demokratisch. Das Modellprojekt Rathausblock
Mitten in Berlin-Kreuzberg entsteht auf knapp fünf Hektar ein Quartier aus Wohnen, Gewerbe und Kultur unter ungewöhnlich starker Beteiligung der Zivilgesellschaft. Das sogenannte „Modellprojekt Rathausblock“ haben zivilgesellschaftlich aktive Initiativen erkämpft, indem sie die Privatisierung des „Dragonerareals“ verhindern konnten. Nun entscheiden sie in einem Kooperationsprozess formal gleichberechtigt mit politisch-administrativen Akteur*innen über die Gestaltung des Areals – eine zentrale zivilgesellschaftliche Forderung nach politischer Teilhabe. Zentral für diesen Aushandlungsprozess sind darüber hinaus zivilgesellschaftliche Forderungen nach materieller Teilhabe wie z. B. bezahlbarer und dauerhaft abgesicherter Wohn- und Gewerberaum sowie nach kultureller Teilhabe mit gemeinwohlorientierten Projekträumen, der Aufbau der Gemeinwesenarbeit im Quartier oder gemeinschaftlichen Wohnformen.
Wohnen stellt ein menschliches Grundbedürfnis dar. Im korporatistisch-konservativen Wohlfahrtsregime Deutschlands wurde Wohnen weniger stark dem Markt entzogen als Gesundheitsversorgung oder Bildung. Zyklisch auftretende Verschärfungen von Wohnraummangel und Wohnungsnot haben deshalb in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder Mieterinnenprotestbewegungen hervorgerufen. Problematiken wie die Privatisierung von Boden und Immobilien, die Finanzialisierung des Wohnungsmarktes und neoliberale Stadtpolitik haben in den letzten zehn Jahren verstärkten Verdrängungsdruck auf lokales Gewerbe und Mieterinnen unterer und mittlerer Einkommensklassen erzeugt.
Modellhaft an dem Prozess um den Rathausblock sind aus unserer Forschungsperspektive drei Aspekte:
- Die Erweiterung eines herkömmlichen Beteiligungsverfahrens um ein Kooperationsverfahren inklusive formaler Strukturen, in denen zivilgesellschaftliche Akteurinnen neben Vertreterinnen aus Politik und Verwaltung Gremien paritätisch besetzt und mit konsensualen Entscheidungsstrukturen ausgestattet sind.
- Der hohe Wirkungsgrad der Zivilgesellschaft und ihre Entwicklung „konkreter Utopien“, wodurch einige ihrer neuartigen Modelle bereits verankert werden konnten.
- Das von allen Kooperationspartner*innen geteilte Bestreben nach Übertragbarkeit auf andere stadtpolitische Entwicklungsprozesse.
Entscheidungsbefugte Akteur*innen der Kooperation sind neben der Zivilgesellschaft, die aus dem Vernetzungstreffen und dem Forum Rathausblock bestehen, auf kommunaler Seite der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, auf landespolitischer Ebene die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen sowie die Berliner Immobilienmanagement GmbH als treuhänderischer Eigentümerin und die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Mitte, die einen Großteil der Wohnungen realisieren wird.
Das Vernetzungstreffen Rathausblock und das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg (Abteilung für Bauen, Planung und Facility Management) sind die beiden Praxispartner*innen im Projekt KoopWohl. Um an der Kooperation in koordinierter Form teilzunehmen, schloss sich ein Teil der zum Dragonerareal aktiven Initiativen im Jahr 2018 zum Vernetzungstreffen Rathausblock zusammen (VTR). Die Initiativen arbeiten mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten, die von den gemeinsamen Grundwerten gemeinwohlorientiert, selbstverwaltet und kommunal gerahmt sind.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat während der Privatisierungsphase bereits mit zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen über alternative Entwicklungsmöglichkeiten beraten. Seit 2016 ist Florian Schmidt Baustadtrat und die Abteilung Bauen, Planen und Facility Management im formalen Kooperationsprozess beteiligt. Florian Schmidt ist in Berlin und darüber hinaus für seine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik und die Förderung gemeinschaftlicher, selbstverwalteter Wohnformen bekannt.